Unvermögen. handwerklich
Im Atelier eine Werkbank
zwei linke Hände
drechseln trockene Worte
aus Fichtenholz
rieseln ungehobelte Späne
als Nadeln herab lassend
spießen sie überall Schwächen auf
und zerstechen das Herzlich
dann einmal zu oft.
(©IW, 2022)
woanders
auf kahlen schmalen
Sitzen im Vorzimmer des Sommers
warten dass
Passendes reift
woanders
(©IW, 2022)
Nähe. Am Polarkreis.
immer wieder ritzt sie
schärfer als der Ostwind
Risse ins Gesicht
Schnee stöbert auf der Netzhaut
nach verlor'nem Licht
an Deck knöpft sie Gedanken zu
zieht ihren Kragen hoch bis unters Kinn
ein Schluck zu viel vom Meer
löscht nicht den Durst nach Wir
hält wohl das Wehe auf Distanz
schmeckt schal am nächsten Tag
ihr warmer Schal verwittert nicht
die Nähe schon
(©IW, 2022)
(mixed media/Basis: eigene Fotografie)
Einsturz.gefährdet
Nicht nur einmal sprach er dir
aufrecht von horizontal und
senkrecht, von all diesen
Diagonalen,
die das Zwischen der Nacht
von Gesicht zu Gesicht
zu nahtlosen Räumen verweben,
nach Erhabenheit streben -
Kathedralen.
Aus dem Seidenpapier seiner Worte
schneidest du das,
was du brauchst,
und wenn er sich blindete,
einbilden könnte, zumindest
am Tage das Licht zu sein
für das Schattenspiel
deiner fahrigen Hand,
wäre er dann vielleicht froh?
Wie oft noch zertretene Silben im Gras;
siehe die Würmer, wie sie bei Regen
Schutz in den Wurzeln finden, und wir?
(©IW, 2021)
über. belichtet
gegenüber vom bett
augenfällig ihr gesicht
ein mal zwei meter licht
grundierte leinwand
zwischen schloss und riegel
an den nagel gehängt dort
daunenfedern ihre wimpern
schläfrig
und über all dem
eine schicht senfgelb
verschossene dias
aus entlegenen schachteln
verlegter jahre;
du überbelichtest die sicht auf sie
durch staubige wünsche in dir
(©IW, 2020)
Radierung
Ich weichzeichne mein Bild für dich
radiere oft darin Gefühle aus
bis das Gesicht am Ende
deine Wünsche wohl erkennt
doch ich mich nicht.
(©IW, 2020)
Dreiecksgeschichte
Im dämmernden Park
ein Paar
geht vorüber
sein Blick fällt
viel länger als üblich
mir zu und auf
meinen Augen
schimmert ihr Glimmen
errötendes Lächeln
das deutlich ihm gilt
und leider nicht mir.
(©IW, 2020)
Vorsicht. Steinschlag
Wir gehen Tag für Tag
auf einem schmalen Grat
im besten Fall
- doch aus Gewohnheit
viel zu selten -
aufeinander zu.
Aus eurem Steinbruch
schlagt ihr blindlings
irgendwelche groben Worte
(und mir meine eignen
aus der Hand)
allenfalls nur treffen diese
herrlich
euren Nagel auf den Kopf;
ich hingegen bin bestürzt
und falle
als ihr wieder fragt
Wieso denn bloß?
von heute an
nicht mehr
auf euch herein.
(©IW, 2020)
deine Türen. so eng
Sieh Syphus
wie viele Steine du rollst
vor die eigenen Füße
dein Gefängnis
zerdrückt meinen Atem
und nimmt dir die Sicht
unnötig verschlossene Türen
die es im Grunde nicht gibt.
(©IW, 2020)
das kuckucksei
hoch stapelt sich
ein ich auf ich
bis unter's kinn der wolken
kuckucks heime
stolz vermessen
ritzen wolkenkratzer
in das makellose
blau
äugig spiegeln sie
sich selbst viel lieber
durch die spitzen ellenbogen
sticht geschrei besticht
das grobe mit viel lärm
um nichts
berauscht sich
taub für all die leisen töne
(©IW, 2019)
Über.Verantwortung
über verantwortung hinweg
eilt ihr im eifer des gefechts
voraus
stoßt ohne umsicht ratschläge
mit fäusten ins gesicht
wegweist wahrhaftig auglos
ein "bevor" in münder die
still schweigend
längst zuvor
schon abgebogen sind
(©IW, 2019)
die Quadratur des Kreises
um
ein Haar in der Suppe
am runden Tisch
löffeln sie stumm
ihre Ecken aus
schleifen bei sich
alle Kanten ab
um
nicht anzuecken
so völlig allein
an der Quadratur
im engeren Kreis
(©IW, 2019)
meine Haut. zu Recht.
Du schneiderst meine Haut zurecht
denkst du für mich
an Tuchfühlung wohl kaum
steckst Nähte ab und
meine Ziele ungefragt gleich mit.
Vermessen
hältst du unter Reißverschluss
was dich schnittmustern könnte
bekleiden soll mich Enge
damit du nicht nackt
sein musst
vor dir.
(©IW, 2019)
Garderobe
Gern kleidest du dich elegant
das Redegewand steht dir ungemein
wortgewaltige Bahnen aus Redestoff
formen eine Schleppe
auf die niemand treten darf
dir zu nahe zu treten
verbietet der Anstand
so trage ich Anzug
in deiner Gegenwart
will nicht anzüglich sein
bei der Frage
ob du ablegen magst
das Gespräch ablegen
in der Garderobe
sie wird
(garder la robe)
diskret das Kleid behüten
während wir uns unverkleidet
wortlos verstehen.
(©IW, 2018)
die Anatomie des VerStehens
Sie verstehen sich blind
auf dem Gehweg
die Füße
vertreten sich dort
auf dem Standpunkt
die Beine
verstauchen sich dabei
haarsträubend
die Knöchel.
(©IW, 2019)
Schattenspiel
vordergründig
ein VorHang
rein weiß
hinter Schneewehen
ein Schatten deiner selbst
in Auflösung
begriffen
von meinen Blicken
(©IW, 2017)
im Garten
ich verstumme vor hellblauen Blüten
erlausche ihr verschwiegenes Aufblättern
hauchdünne Seiten wie Luftpost
dicht beschrieben mit Lebenslust
du rupfst sie ab
dein unhandliches Betrachten
zerfleddert ihre Dünnhäutigkeit
zerstückelt jedes Geheimnis
immer öfter beerdige ich uns im Garten
(©IW, 2017)
schal geworden
ein Schal aus Worten
alte Zöpfe Muster
Masche für Masche
gemeinsam gestrickt
jeder an seinem Ende
Distanz(z)iert sich bis
mein Gesprächsfaden
reißt
ohne neu anzuknüpfen
teilt meine Schere
das schal Gewordene
gerecht in zwei Hälften
lege fröstelnd eine
um meine Sprachlosigkeit
mag mich nicht mehr
länger entblößen
(©IW, 2017)
kleines Einmaleins. kakophon
3 mal 3 macht 13
intoniert im Brustton
der Überzeugung
gleichsam ein basso ostinato
meine None
beißt sich daran die Zähne aus.
Wieso Nonne?!!
Diese Fermate kommt
ohne Zweifel aus
zweifelsohne
erzwingt sie Schweigen
unerhört sachte summe ich
gegen das Absurde an
verhungere längst zahnlos
an deiner tönenden Brust.
(©IW, 2018)
Grapefruit
„Sauer macht lustig“, stelltest du scherzend
zwischen uns
neben den Grapefruitsaft,
an dem wir nuckelten.
Die Art, wie du an mir vorbeilächeltest,
ließ mich sauer aufstoßen.
(©IW, 2017)
Augen.Blick
Oft schon saßen wir zusammen,
länger als ein Augenblick dauert.
Alles in mir flehte derweil,
du mögest mich ansehen.
Es ist ja nicht so, als ob du es nicht tätest.
Natürlich hast auch du Augen am Kopf.
Im Kopf wäre besser.
Merkst du nicht,
wie durchlöchert ich bereits bin
von deinen Blicken?
Da hilft auch keine kugelsichere Weste.
(©IW, 2017)
im Café – oder – 'über die Kunst des Fesselns'
Wenn du den Mund auftust,
gehen meine Gedanken auf Reisen.
Nein, nicht so wie du jetzt glaubst.
Dein erster Satz besteht aus 6 Worten,
nach 4 davon musst du länger suchen,
als hättest du sie auf dem Weg zu mir ins Café
irgendwo verloren.
Ähnlich gestalten sich die folgenden Sätze,
wobei „gestalten“ hoch gegriffen scheint;
aber Tief-Stapeln liegt mir nicht so.
In einer der äh-Pausen helfe ich dir beim Suchen,
später gebe ich auch das auf.
Suche fesselnde AnHaltspunkte in der Umgebung,
um nicht ermattet vom Stuhl zu rutschen.
Am Ende meiner Reise weiß ich unter anderem,
was der Tischnachbar gern liest.
Ich kehre zu deinem Mund zurück.
Er bewegt sich immer noch unbeirrt so,
als wäre ich nie fort gewesen.
(©IW, 2017)
Einbahnstraße
Es ist verrückt.
In Gesprächen mit dir erscheinen vor
meinem geistigen Auge unvermittelt
VERKEHRSSCHILDER!
Ich kann mich gar nicht dagegen wehren.
Sie pflanzen sich regel(ge)recht vor mir auf;
weisen mir den Weg durch deine Welt,
die so akribisch ausgeschildert vor mir liegt,
dass ich mich kaum mehr zurechtfinde.
Ein Schild drängt sich mir schon lange auf:
das der Einbahnstraße.
Nun habe ich beschlossen,
zum Verkehrssünder zu werden
und zu wenden,
hinaus aus dem Schilderwald.
(©IW, 2017)
hervor
Hinter verrosteten Lippen
stauen sich Worte,
die niemand hören will,
bilden einen Kloß im Hals zu groß,
um ihn herunterzuschlucken.
Hervorgewürgt
fällt er uns vor die Füße,
wir stolpern,
euer entsetzter Ekel
beschämt mich.
(©IW, 2017)
über kurz oder lang
bringen uns um
den Verstand verlieren
Stück für Stück
Illusionen
nicht einander
(©IW, 2017)
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