sich verschwimmen

 

Mit bloßen Füßen

watet sie im Tag

von Jetzt zu Jetzt.

In trüben Augen

treiben tote Fische

mit dem trägen Strom.

 

Sie fragt mich

aus

und

vorbei

ziehen ankerlose Stunden

hinaus aufs offene Meer.

 

Die rettenden Ufer

verschwimmen sich

in meinen Tränen.

(©IW, 2023)

Waschtag

 

aus den Kleidern geschüttelte Wünsche

voller Sorgfalt gefaltet und aufgehängt

neben verwaschenen Jeans

an der Leine draußen im Hof

 

die Nachbarn sind fort über Nacht

wie so viele im Ort

ihre Wäsche noch nicht

 

am Hafen

stinkt blutiger Rauch

bis zum Himmel

Seh-Minen lauern

im Wasser wie Haie

in der Nähe versandet

ein Schild und mahnt:

 

Freischwimmen

strengstens verboten!

(©IW, 2022)


ein Himmel von vielen

 

selbst im Sommer

aus hauchdünnem Eis

betreten wir uns

mit Kufen aus Stahl

auf hauchdünnem Eis

wiegt jeder Schritt

gleiten Worte

und Taten so leicht

ins Aus;

am Grunde ruht

ertrunkenes Herz an Herz

darin die eigenen Himmel

gemalt und schmal erdacht

vor der grausamen Schwärze

unendlicher Nacht

(©IW, 2022)

auf dünnem Eis. dahinter der Himmel (new media)
auf dünnem Eis. dahinter der Himmel (new media)

am Wasserfall (new media)
am Wasserfall (new media)

im Licht der Mangroven

 

kein Weg führt

vorbei am Steg

nahe der Wasser

sie gurgeln unter den Lidern

ein Leben schaukelt im Wind

dicht unter der Haut

zittert seit Tagen dein Blatt

hält inne

ich atme für dich

hinein

in sich dehnende Pausen der Zeit

dein Gesicht im Licht der Mangroven

seit heute so ungewohnt kahl

der Schlafmohn blüht nun in dir

weit hinter dem Meer

(©IW, 2021)

 

- für meine Tante Ute -


Interieur

 

Sie liest viel

hinein

in den harzigen Hauch der Zypressen

darin schwimmen die Stunden ums Haus

im Salon falten Wände geduldig das Licht

graue Laken

verhängen den Möbeln die Sicht

entmündigtes Leder und Teak

zum Schweigen gebracht

dämmern sie gähnend

bewohnteren Tagen entgegen

die rauschenden Feste tanzen

schon lange an ihnen vorbei.

 

Ein Hund in der Ferne jault heiser

gegen den hiesigen Maulkorb an

im Dorf kennt jeder wohl jeden

heilige Glocken ermahnen

zur Andacht und Eintracht.

 

Ihr Haus auf dem Lande

am Rande der Laute

tuscheln Gedanken

geduckt in den Gängen

eine Herzkammer pocht

an die Pforte des Mundes

sein Kirschbaum

verschweigt reife Früchte

sie schmecken

manch anderen

nicht.

(©IW, 2021)

Kants weiße Bank

 

Bei den Hyazinthen jedes Jahr

neu weiß lasiert

eine Bank dort

wo Chlorophyll die Adern füllt

Licht zu Luft wird

es Licht ward in ihr

auch ohne Gott

nahm der Kreis seinen Lauf

und du ihre Hand.

 

Hier beatmeten wir uns

von Mund zu Mund

legten Alpha und Omega

warm und rund

zu unserer Sprache

die Hände dann

irgendwann

in den Schoß

wohl wissend

wie es schmeckt

sehenden Auges

gemeinsam einsam

zu sein.

 

 

Bei den Hyazinthen

eine Bank reinweiß

darauf heute allein

ein Buch

ohne ein einziges Wort.

(©IW, 2021)

 


 

Es steht in den Sternen.

 

Zu schön gedacht

sie könnte wenn

genügend Zeit

vergeht...

 

Die Sternenuhr

verstellt auch sich

nicht wider die ureigene

Natur

wie sollte sie

jemals für dich

so sehr sie es versuchte?

(©IW, 2020)

im Universum (Fotografie)
im Universum (Fotografie)

a stranger (Composing/mixed media)
a stranger (Composing/mixed media)

 

 

 

 

fort.schritt für schritt

 

früher oder später

wird früher einst

weilen reist zeit fort

und fort

reißt sie ungeheuer

leise wunden

in das dünne hemd

bis letztlich fremd

auch der eigene stoff

 

er innert

nicht mehr

(©IW, 2020)


 

 

 

 

 

 

nirgends

 

dort oder da

zugehörig

dazu hör ich

gehörig zu hörig

gehören gehört sich

da und dort

dazugehören

dann

lieber

nicht

(©IW, 2020)

Befremden. ein Aus.Flug

 

Endlich ungestört

dem Wind erzählen

vom farbenfrohen Duft

in ihrem Paradies;

ein Land,

das ihr nicht kennt,

niemals betreten könnt.

 

Bei euch gedeiht

für sie kein Glück,

so sehr sie es auch gießt;

unfassbar lang hat sie

um euch und sich

geschwiegen, das Irritierende

vermieden

sowie den Schmerz, dass

ihr  Befinden euch

wohl ewig fremd erscheint.

 

Schließlich wird sie

dem Wind folgen,

er duftet so bunt

und grenzenlos.

(©IW, 2020)


zuletzt

 

In Mundwinkeln häuft sich

Vergessen

auf der Zunge liegen

nur endlose Fragen

sie bohren

verstörende Löcher

tief unter die Haut.

 

So wiederkehren  Gedanken

das Unten nach oben

und drehen sich stetig

im Kreis

seiner Lieben.

 

Wie fürchterlich dunkel

mag Leere wohl sein wenn

doch keine einzige Antwort

behellt

was diese verspricht?

(©IW, 2020)

Am Ende entgleiten wir sogar uns selbst. (mixed media)
Am Ende entgleiten wir sogar uns selbst. (mixed media)

entgleist

 

Der Wind fährt zugig

um verstreute Bänke

turteln Tauben

mit verworf'nem Brot

ein Zeitungsblatt verwickelt sich

um einen LautSprecher der tönt

dass früher auch

nicht alles besser war.

 

Von klammen Nasenspitzen

tropft das Warten

auf Godot

in seinen Pfützen schaukeln Blicke

uferlos

ein Leben unter vielen

ist entgleist

die Weiche klemmt

erhärtet den Verdacht:

an diesem Bahnsteig halten wir

uns nicht mehr

auf.

(©IW, 2019)

 

 

 

der Amberbaum

 

Zögerlich gibt sie ihr Jahr aus der Hand

längst rosten die Tage hinter dem Haus

ein Amberbaum

wirft seine Glut vor die Tür

geht sie kaum

mehr

als nötig

verstreut sie Gedanken

im Staub

und unter den Nägeln

dort brennen nur Fragen

weil Antworten spurlos verglühen

wie Zunder von einer Sekunde zur ander'n.

(©IW, 2019)


Brandrodung (Fotografie, farblich überarbeitet)
Brandrodung (Fotografie, farblich überarbeitet)

Schlaf.Lider

 

Sag wohin

die schweren Augen betten

da sie täglich

wider Willen so viel

Hässliches beseh'n

selbst bei geschloss'nen Lidern.

 

Was kann von Mündern aus

besungen werden

wenn der Frost nun

permanent aufweicht

und Brand das Frösteln rodet

bis kein Atemzug mehr fährt?

(©IW, 2019)


 

 

Stundenglas

 

Kühl blickt der Tag

durch die Wipfel der Buchen

des Jahres Gipfel neigt sich

mir zu

fällt Bernstein als Laub

aus der Krone der Schöpfung

gezählt sind zerbrechliche Stunden

im Glas gestundeter Raum

ich nippe an gläserner Zeit

und atme sie aus

sie klirrt

auf dem Boden der Tatsachen

als sie zerspringt.

(©IW, 2019)

Zärtlich deine Hand

 

halten.

 

Es geht vorbei

sagt selbstverständlich

euer Mehrwert

Massen weise;

geschickt von euch

vor lauter UnGeWissen

an die UnsichtBar

betrink' ich mich

fortan nicht mehr

am gut Gemeinten.

 

Deine Hand halten.

Es wird

vorbeigehen

an mir

nicht.

(©IW, 2019)


 

 

 

 

halt.los

 

Sich immer wieder

festzuhalten

am Loslassen

ist

die einzige Verbindlichkeit

unserer Existenz.

(©IW, 2019)

Raumzeit (nach D. Kehlmanns Erzählung "Du hättest gehen sollen") - new media
Raumzeit (nach D. Kehlmanns Erzählung "Du hättest gehen sollen") - new media

Im siebten Himmel? (new media)
Im siebten Himmel? (new media)

Entbindung

 

Eure Zusammenhänge

neigten sich ihr zu

warfen Goldnessel gleich

wuchernde Fußangeln aus

brüllten zugeneigt Nähe ins Ohr

selbst taub für die so andere Stimme

die sich rückwärts schwieg

in rücksichtsvoll lächelnder Außenhaut -

ein Versuchsballon

gefüllt mit Utopien

aus Helium.

 

Es kam der Tag

da entband sie sich

leichter als Luft

entließ sie ihn

ließ ihn steigen

in den siebten Himmel

auf nimmer Wiedersehen -

erleichtert war sie

sich noch nie so nah.

(©IW, 2018)


Wetterleuchten. Sonntags.

 

Und wieder fällt ein Jahr vom Baum,

schon flieht die Ernte vor dem Sommer,

seufzend gibt der Mais sich auf

und das, was aus ihm werden sollte,

viel zu früh den Krähen preis.

 

Nüsse tanzen ihren Reigen,

im späten Sonntagswetterleuchten

lassen sie sich treiben

wie die Kinder;

Familien stellen Fröhlichkeit zur Schau,

Gemeinsamkeit weglagert ungeniert

auf Schritt und Tritt,

sie duldet keinen Widerspruch.

 

Mein Reh fremdelt, scheut,

sucht lieber WildeBlumenWiesen

auf - an Waldes Rändern;

jagt sich selber fort

von dem Ort,

dessen Teil es niemals sein wird.

(©IW, 2018)

 

 

 

Tapete

 

Ich tapezierte unsere Räume

mit Schichten aus Worten

verstrich die Zeit

wie Kleister stopfte sie Löcher

in Mauern um uns.

 

Worthülsen

hüllten uns ein

fielen dann und wann

aufs Parkett mit leisem Klicken

wiederverwendbar - 

wer sagt's denn?!

 

Unsere Wände

verziert mit Romanen

die das Leben schrieb

und doch nichts erzählten

über das Wirkliche in uns.

(©IW, 2018)


Zeit.Verschiebung

 

Gemeinsam

rückblicken wir

in die Alben, käuen

die Geschichten wieder,

als wären sie aus Pappmaché,

machen sie gefügig

durch unseren Speichelfluss.

 

Zahllos

inzwischen die Versuche,

das Vergilbte zu restaurieren;

der Zeitbrunnen,

schon so ausgeschöpft,

reicht kaum für eine Schale Rouge.

 

Trocken klebt mir

die Unbekümmertheit

der anderen am Gaumen,

konzentriere mich

am Würgereiz vorbei

bis zur Erschöpfung.

 

Ein Übermaß an 'gestern'

befüllt

den Mangel an 'morgen'

Tag für Tag mehr.

(©IW, 2018)

 

 

 

Elegie (Fotomontage)
Elegie (Fotomontage)

Keimzelle (new media)
Keimzelle (new media)

keimende Einsicht

 

Ein Same

eingesät

in Mutters Erde

ausgesamt millionenfach

aus Lust und Laune

querbeet ungefragtes Sein.

 

Einsame

vereinzelt

in Muttererde

bewurzeln unentwegt

ohne endgültig

Fuß zu fassen

die einzige Gewissheit - 

ihr Vergehen.

(©IW, 2018)

 

 

 


der feine Unterschied


Als sie mein Geschäft betrat, fiel sie mir sofort auf
und aus der Reihe
all meiner Regale,
die ich mir im Laufe der Zeit zurechtgezimmert hatte.


Ich wusste nicht direkt, was an ihr so anders war,
eher indirekt.


Ihr Haar wich an den Geheimratsecken ungewöhnlich zurück
und ihre Stimme klang tiefer,
als ich es erwartet hatte.
Frappierend auch die unverkrampfte Offenheit ihres Auftretens.


Ihr erstes Leben stellte sie als Pastor

in den Dienst der Nächstenliebe.
In ihrem zweiten Leben hatte man als Pastorin

keine Verwendung mehr für sie.
Heißt es nicht:
Vor Gott sind alle Geschöpfe gleich?


Gleicher konnte sie sich kaum mehr werden.
(©IW, 2017)

 

 

 

Be.urteil.ung (Fotografie, überarbeitet)
Be.urteil.ung (Fotografie, überarbeitet)

bemantelt


Unter dem Deckmantel der Hoffnung
wärmt sich das Unsagbare im November;
erkältete Zehen auf dem Holzweg
künden barfuß vom Unausweichlichen.


Wenn sie die Richtung änderten,
wären es noch dieselben Füße?
Entgingen sie den verholzten Splittern?


Nehmt lieber das letzte Hemd,
nur nicht den Mantel,
der nackt Dasein lässt
nicht nur im Juli.
(©IW, 2018)

 

 

gefallen wollen


Geh-Fallen
ein Fall von
in die Falle tappen
geh! fall nicht!
und wenn doch:
komme was wolle
trotz Gefälle
(©IW, 2017)

w.erden


Als sie glaubte, es würde noch werden...
Werden statt sein; sein werden.
Es ist. Zementierte Erstarrung ohne Spielraum.
Das Sein kurz und knapp auf den Punkt gebracht.
Zurechtgestutzt und gefangen im 'So und nicht anders'.
Werden: ein W bei den Erden, W wie wachsen.
Sprießen und Gedeihen, das Es in Bewegung. Es wird.
Als sie glaubte, es würde noch werden, lebte sie noch.
(©IW, 2017)

 

 

unerreichbar (mixed media)
unerreichbar (mixed media)

alles Theater


Im Rampenlicht
beachtet, betrachtet,
bewundert, beobachtet,
beklatscht, beschimpft,
bestaunt, beneidet;


Abend für Abend
vor unzähligen Augen
aus dem Blick geraten;
löscht das Licht, damit
ich mich besser sehen kann.
(©IW, 2017)

 

 

Trümmerfrau


Besessen bautest du
an deinem idealen Palast in mir.
Schlugst mir jeden Stein aus der Hand,
den ich als Fundament vorsah.
Heute wunderst du dich,
dass dieses Luftschloss
keinem Sturm standhält.
Reicht ein einzelnes Leben,
um den Schuttberg abzutragen,
unter dem mein Ich begraben liegt?
(©IW, 2017)

Perspektiven


Der Volksmund sagt,
die Welt ist rund.


Wissenschaftlich gesprochen
hat der Erdball die Form einer Kartoffel.


Für mich ist sie scharfkantig, grob und rau,
habe mich an ihr wund gerieben.
(©IW, 2017)


Innenräume (Fotomontage)
Innenräume (Fotomontage)

 

Wohnlandschaften


Unterwegs durch
(ge)Wohn(te) Landschaften -
Reisekoffer offerieren
in jedem Lebensraum
Habseligkeiten
zur Durchsicht auf
Seligmachendes.
Dringend Gesuchtes
findet sich
darin nicht.
So viel Gepäck
und wer hilft beim Tragen?
(©IW, 2017)

 

 

 

die Gasse (Fotografie)
die Gasse (Fotografie)

Bermudadreieck


Oft schon war sie in See gestochen,
viele Häfen hatte sie angelaufen,
in jedem blieb sie sich fremd.


Als sie in deinem Bermudadreieck
verloren ging,
fand sie sich selbst.
(©IW, 2017)

immer wieder


Was lockt noch
berauscht gar wenn
höchste Höhen schon
erklommen
tiefste Abgründe schon
durchschaut sind?
Es gibt kein höher
als höchst
kein tiefer
als tiefst.
Was entdecken
außer immer wieder
kehrendes Mittelmaß
als Vorwegnahme
des Todes.
(©IW, 2017)

 

 


Gestalt (Fotografie)
Gestalt (Fotografie)

 

 

zwischen Birken


Hektisch treibt die Stadt
verspätete Blätter vor sich her.
Aufgescheuchtes Rascheln
um Häuserecken
verstummt abrupt
in überfüllten Gullys.


Ich bin geflüchtet
zwischen Birken
bin ich
vertrauter als dort;
ihre helle Haut
fraglos
so dünn wie meine.
Hier schaut nur die Sonne schräg.
(©IW, 2017)

 

 

Erwartungen


ER wartet auf sie, die
ERfüllung, die
ER füllt vorab mit
ERwartungen an jene;
deren Fülle ist
offensichtlich
für ihn unsichtbar.
Er wartet.
Umsonst.
(©IW, 2017)

 

 

 

 

 

 

zwischen Birken (Fotografie)
zwischen Birken (Fotografie)