Spiegelbild
im SPIEGEL blättert sie
sich durch den Tag
liest lieber Bilder auf
statt Worte
und sich vermeintlich daran fest
Wortsalat aus Kraut und Rüben
purzelt ihr von jedem Blatt
satt macht das verwaiste Weiß
auch morgen
nicht
(©IW, 2024)
sich verschwimmen
Mit bloßen Füßen
watet sie im Tag
von Jetzt zu Jetzt.
In trüben Augen
treiben tote Fische
mit dem trägen Strom.
Sie fragt mich
aus
und
vorbei
ziehen ankerlose Stunden
hinaus aufs offene Meer.
Die rettenden Ufer
verschwimmen sich
in meinen Tränen.
(©IW, 2023)
Waschtag
aus den Kleidern geschüttelte Wünsche
voller Sorgfalt gefaltet und aufgehängt
neben verwaschenen Jeans
an der Leine draußen im Hof
die Nachbarn sind fort über Nacht
wie so viele im Ort
ihre Wäsche noch nicht
am Hafen
stinkt blutiger Rauch
bis zum Himmel
Seh-Minen lauern
im Wasser wie Haie
in der Nähe versandet
ein Schild und mahnt:
Freischwimmen
strengstens verboten!
(©IW, 2022)
ein Himmel von vielen
selbst im Sommer
aus hauchdünnem Eis
betreten wir uns
mit Kufen aus Stahl
auf hauchdünnem Eis
wiegt jeder Schritt
gleiten Worte
und Taten so leicht
ins Aus;
am Grunde ruht
ertrunkenes Herz an Herz
darin die eigenen Himmel
gemalt und schmal erdacht
vor der grausamen Schwärze
unendlicher Nacht
(©IW, 2022)
im Licht der Mangroven
kein Weg führt
vorbei am Steg
nahe der Wasser
sie gurgeln unter den Lidern
ein Leben schaukelt im Wind
dicht unter der Haut
zittert seit Tagen dein Blatt
hält inne
ich atme für dich
hinein
in sich dehnende Pausen der Zeit
dein Gesicht im Licht der Mangroven
seit heute so ungewohnt kahl
der Schlafmohn blüht nun in dir
weit hinter dem Meer
(©IW, 2021)
- für meine Tante Ute -
Interieur
Sie liest viel
hinein
in den harzigen Hauch der Zypressen
darin schwimmen die Stunden ums Haus
im Salon falten Wände geduldig das Licht
graue Laken
verhängen den Möbeln die Sicht
entmündigtes Leder und Teak
zum Schweigen gebracht
dämmern sie gähnend
bewohnteren Tagen entgegen
die rauschenden Feste tanzen
schon lange an ihnen vorbei.
Ein Hund in der Ferne jault heiser
gegen den hiesigen Maulkorb an
im Dorf kennt jeder wohl jeden
heilige Glocken ermahnen
zur Andacht und Eintracht.
Ihr Haus auf dem Lande
am Rande der Laute
tuscheln Gedanken
geduckt in den Gängen
eine Herzkammer pocht
an die Pforte des Mundes
sein Kirschbaum
verschweigt reife Früchte
sie schmecken
manch anderen
nicht.
(©IW, 2021)
Kants weiße Bank
Bei den Hyazinthen jedes Jahr
neu weiß lasiert
eine Bank dort
wo Chlorophyll die Adern füllt
Licht zu Luft wird
es Licht ward in ihr
auch ohne Gott
nahm der Kreis seinen Lauf
und du ihre Hand.
Hier beatmeten wir uns
von Mund zu Mund
legten Alpha und Omega
warm und rund
zu unserer Sprache
die Hände dann
irgendwann
in den Schoß
wohl wissend
wie es schmeckt
sehenden Auges
gemeinsam einsam
zu sein.
Bei den Hyazinthen
eine Bank reinweiß
darauf heute allein
ein Buch
ohne ein einziges Wort.
(©IW, 2021)
Es steht in den Sternen.
Zu schön gedacht
sie könnte wenn
genügend Zeit
vergeht...
Die Sternenuhr
verstellt auch sich
nicht wider die ureigene
Natur
wie sollte sie
jemals für dich
so sehr sie es versuchte?
(©IW, 2020)
fort.schritt für schritt
früher oder später
wird früher einst
weilen reist zeit fort
und fort
reißt sie ungeheuer
leise wunden
in das dünne hemd
bis letztlich fremd
auch der eigene stoff
er innert
nicht mehr
(©IW, 2020)
nirgends
dort oder da
zugehörig
dazu hör ich
gehörig zu hörig
gehören gehört sich
da und dort
dazugehören
dann
lieber
nicht
(©IW, 2020)
Befremden. ein Aus.Flug
Endlich ungestört
dem Wind erzählen
vom farbenfrohen Duft
in ihrem Paradies;
ein Land,
das ihr nicht kennt,
niemals betreten könnt.
Bei euch gedeiht
für sie kein Glück,
so sehr sie es auch gießt;
unfassbar lang hat sie
um euch und sich
geschwiegen, das Irritierende
vermieden
sowie den Schmerz, dass
ihr Befinden euch
wohl ewig fremd erscheint.
Schließlich wird sie
dem Wind folgen,
er duftet so bunt
und grenzenlos.
(©IW, 2020)
zuletzt
In Mundwinkeln häuft sich
Vergessen
auf der Zunge liegen
nur endlose Fragen
sie bohren
verstörende Löcher
tief unter die Haut.
So wiederkehren Gedanken
das Unten nach oben
und drehen sich stetig
im Kreis
seiner Lieben.
Wie fürchterlich dunkel
mag Leere wohl sein wenn
doch keine einzige Antwort
behellt
was diese verspricht?
(©IW, 2020)
entgleist
Der Wind fährt zugig
um verstreute Bänke
turteln Tauben
mit verworf'nem Brot
ein Zeitungsblatt verwickelt sich
um einen LautSprecher der tönt
dass früher auch
nicht alles besser war.
Von klammen Nasenspitzen
tropft das Warten
auf Godot
in seinen Pfützen schaukeln Blicke
uferlos
ein Leben unter vielen
ist entgleist
die Weiche klemmt
erhärtet den Verdacht:
an diesem Bahnsteig halten wir
uns nicht mehr
auf.
(©IW, 2019)
der Amberbaum
Zögerlich gibt sie ihr Jahr aus der Hand
längst rosten die Tage hinter dem Haus
ein Amberbaum
wirft seine Glut vor die Tür
geht sie kaum
mehr
als nötig
verstreut sie Gedanken
im Staub
und unter den Nägeln
dort brennen nur Fragen
weil Antworten spurlos verglühen
wie Zunder von einer Sekunde zur ander'n.
(©IW, 2019)
Schlaf.Lider
Sag wohin
die schweren Augen betten
da sie täglich
wider Willen so viel
Hässliches beseh'n
selbst bei geschloss'nen Lidern.
Was kann von Mündern aus
besungen werden
wenn der Frost nun
permanent aufweicht
und Brand das Frösteln rodet
bis kein Atemzug mehr fährt?
(©IW, 2019)
Stundenglas
Kühl blickt der Tag
durch die Wipfel der Buchen
des Jahres Gipfel neigt sich
mir zu
fällt Bernstein als Laub
aus der Krone der Schöpfung
gezählt sind zerbrechliche Stunden
im Glas gestundeter Raum
ich nippe an gläserner Zeit
und atme sie aus
sie klirrt
auf dem Boden der Tatsachen
als sie zerspringt.
(©IW, 2019)
Zärtlich deine Hand
halten.
Es geht vorbei
sagt selbstverständlich
euer Mehrwert
Massen weise;
geschickt von euch
vor lauter UnGeWissen
an die UnsichtBar
betrink' ich mich
fortan nicht mehr
am gut Gemeinten.
Deine Hand halten.
Es wird
vorbeigehen
an mir
nicht.
(©IW, 2019)
halt.los
Sich immer wieder
festzuhalten
am Loslassen
ist
die einzige Verbindlichkeit
unserer Existenz.
(©IW, 2019)
Entbindung
Eure Zusammenhänge
neigten sich ihr zu
warfen Goldnessel gleich
wuchernde Fußangeln aus
brüllten zugeneigt Nähe ins Ohr
selbst taub für die so andere Stimme
die sich rückwärts schwieg
in rücksichtsvoll lächelnder Außenhaut -
ein Versuchsballon
gefüllt mit Utopien
aus Helium.
Es kam der Tag
da entband sie sich
leichter als Luft
entließ sie ihn
ließ ihn steigen
in den siebten Himmel
auf nimmer Wiedersehen -
erleichtert war sie
sich noch nie so nah.
(©IW, 2018)
Wetterleuchten. Sonntags.
Und wieder fällt ein Jahr vom Baum,
schon flieht die Ernte vor dem Sommer,
seufzend gibt der Mais sich auf
und das, was aus ihm werden sollte,
viel zu früh den Krähen preis.
Nüsse tanzen ihren Reigen,
im späten Sonntagswetterleuchten
lassen sie sich treiben
wie die Kinder;
Familien stellen Fröhlichkeit zur Schau,
Gemeinsamkeit weglagert ungeniert
auf Schritt und Tritt,
sie duldet keinen Widerspruch.
Mein Reh fremdelt, scheut,
sucht lieber WildeBlumenWiesen
auf - an Waldes Rändern;
jagt sich selber fort
von dem Ort,
dessen Teil es niemals sein wird.
(©IW, 2018)
Tapete
Ich tapezierte unsere Räume
mit Schichten aus Worten
verstrich die Zeit
wie Kleister stopfte sie Löcher
in Mauern um uns.
Worthülsen
hüllten uns ein
fielen dann und wann
aufs Parkett mit leisem Klicken
wiederverwendbar -
wer sagt's denn?!
Unsere Wände
verziert mit Romanen
die das Leben schrieb
und doch nichts erzählten
über das Wirkliche in uns.
(©IW, 2018)
Zeit.Verschiebung
Gemeinsam
rückblicken wir
in die Alben, käuen
die Geschichten wieder,
als wären sie aus Pappmaché,
machen sie gefügig
durch unseren Speichelfluss.
Zahllos
inzwischen die Versuche,
das Vergilbte zu restaurieren;
der Zeitbrunnen,
schon so ausgeschöpft,
reicht kaum für eine Schale Rouge.
Trocken klebt mir
die Unbekümmertheit
der anderen am Gaumen,
konzentriere mich
am Würgereiz vorbei
bis zur Erschöpfung.
Ein Übermaß an 'gestern'
befüllt
den Mangel an 'morgen'
Tag für Tag mehr.
(©IW, 2018)
keimende Einsicht
Ein Same
eingesät
in Mutters Erde
ausgesamt millionenfach
aus Lust und Laune
querbeet ungefragtes Sein.
Einsame
vereinzelt
in Muttererde
bewurzeln unentwegt
ohne endgültig
Fuß zu fassen
die einzige Gewissheit -
ihr Vergehen.
(©IW, 2018)
der feine Unterschied
Als sie mein Geschäft betrat, fiel sie mir sofort auf
und aus der Reihe
all meiner Regale,
die ich mir im Laufe der Zeit zurechtgezimmert hatte.
Ich wusste nicht direkt, was an ihr so anders war,
eher indirekt.
Ihr Haar wich an den Geheimratsecken ungewöhnlich zurück
und ihre Stimme klang tiefer,
als ich es erwartet hatte.
Frappierend auch die unverkrampfte Offenheit ihres Auftretens.
Ihr erstes Leben stellte sie als Pastor
in den Dienst der Nächstenliebe.
In ihrem zweiten Leben hatte man als Pastorin
keine Verwendung mehr für sie.
Heißt es nicht:
Vor Gott sind alle Geschöpfe gleich?
Gleicher konnte sie sich kaum mehr werden.
(©IW, 2017)
bemantelt
Unter dem Deckmantel der Hoffnung
wärmt sich das Unsagbare im November;
erkältete Zehen auf dem Holzweg
künden barfuß vom Unausweichlichen.
Wenn sie die Richtung änderten,
wären es noch dieselben Füße?
Entgingen sie den verholzten Splittern?
Nehmt lieber das letzte Hemd,
nur nicht den Mantel,
der nackt Dasein lässt
nicht nur im Juli.
(©IW, 2018)
gefallen wollen
Geh-Fallen
ein Fall von
in die Falle tappen
geh! fall nicht!
und wenn doch:
komme was wolle
trotz Gefälle
(©IW, 2017)
w.erden
Als sie glaubte, es würde noch werden...
Werden statt sein; sein werden.
Es ist. Zementierte Erstarrung ohne Spielraum.
Das Sein kurz und knapp auf den Punkt gebracht.
Zurechtgestutzt und gefangen im 'So und nicht anders'.
Werden: ein W bei den Erden, W wie wachsen.
Sprießen und Gedeihen, das Es in Bewegung. Es wird.
Als sie glaubte, es würde noch werden, lebte sie noch.
(©IW, 2017)
alles Theater
Im Rampenlicht
beachtet, betrachtet,
bewundert, beobachtet,
beklatscht, beschimpft,
bestaunt, beneidet;
Abend für Abend
vor unzähligen Augen
aus dem Blick geraten;
löscht das Licht, damit
ich mich besser sehen kann.
(©IW, 2017)
Trümmerfrau
Besessen bautest du
an deinem idealen Palast in mir.
Schlugst mir jeden Stein aus der Hand,
den ich als Fundament vorsah.
Heute wunderst du dich,
dass dieses Luftschloss
keinem Sturm standhält.
Reicht ein einzelnes Leben,
um den Schuttberg abzutragen,
unter dem mein Ich begraben liegt?
(©IW, 2017)
Perspektiven
Der Volksmund sagt,
die Welt ist rund.
Wissenschaftlich gesprochen
hat der Erdball die Form einer Kartoffel.
Für mich ist sie scharfkantig, grob und rau,
habe mich an ihr wund gerieben.
(©IW, 2017)
Wohnlandschaften
Unterwegs durch
(ge)Wohn(te) Landschaften -
Reisekoffer offerieren
in jedem Lebensraum
Habseligkeiten
zur Durchsicht auf
Seligmachendes.
Dringend Gesuchtes
findet sich
darin nicht.
So viel Gepäck
und wer hilft beim Tragen?
(©IW, 2017)
Bermudadreieck
Oft schon war sie in See gestochen,
viele Häfen hatte sie angelaufen,
in jedem blieb sie sich fremd.
Als sie in deinem Bermudadreieck
verloren ging,
fand sie sich selbst.
(©IW, 2017)
immer wieder
Was lockt noch
berauscht gar wenn
höchste Höhen schon
erklommen
tiefste Abgründe schon
durchschaut sind?
Es gibt kein höher
als höchst
kein tiefer
als tiefst.
Was entdecken
außer immer wieder
kehrendes Mittelmaß
als Vorwegnahme
des Todes.
(©IW, 2017)
zwischen Birken
Hektisch treibt die Stadt
verspätete Blätter vor sich her.
Aufgescheuchtes Rascheln
um Häuserecken
verstummt abrupt
in überfüllten Gullys.
Ich bin geflüchtet
zwischen Birken
bin ich
vertrauter als dort;
ihre helle Haut
fraglos
so dünn wie meine.
Hier schaut nur die Sonne schräg.
(©IW, 2017)
Erwartungen
ER wartet auf sie, die
ERfüllung, die
ER füllt vorab mit
ERwartungen an jene;
deren Fülle ist
offensichtlich
für ihn unsichtbar.
Er wartet.
Umsonst.
(©IW, 2017)